Die lokale Energiewende in Groß Gerau
Als das Kabinett unter Bundeskanzlerin Merkel im letzten Jahr beschlossen hatte, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern, hat sich in Groß Gerau eine kleine Initiative gebildet, darunter auch einige BUND Mitglieder, um gegen die Laufzeitverlängerung der AKW zu demonstrieren. Nach der Reaktorkatastrophe Fukushima wurden auch in Groß Gerau Mahnwachen abgehalten. Nachdem einige ältere Kraftwerke abgeschaltet waren, darunter auch das 30 km entfernte Biblis, war uns klar, dass unsere Arbeit noch nicht zu Ende war. Unser Ziel war und ist ferner, das auch die restlichen Kraftwerke ganz schnell vom Netz gehen sollen. Auch wollten wir nicht von den großen Stromkonzernen abhängig sein, sondern Wege finden auf lokaler Ebene Strom zu erzeugen. Der Kreis Groß Gerau gehört zu den Regionen, in der der Betrieb von Windkraftanlagen nur sehr eingeschränkt möglich ist, und wir nicht wollten, dass der Strom aus großen Windparks in der Nordsee zu uns kommt, suchten wir nach anderen Möglichkeiten. So entstand die Idee, eine Vortragsreihe zu veranstalten.
Den ersten Vortrag hielt Frau Dr Eva Stegen aus Schönau im Schwarzwald. Einige Bürger aus dem kleinen Ort Schönau beschlossen nach der Tschernobyl Katastrophe für eine atomstromlose und nachhaltige Energieversorgung einzutreten. Dieser Kampf gegen die großen Energiekonzerne, der über mehrere Jahre geführt wurde, erinnert an den Aufstand eines kleinen gallischen Dorfes gegen die Übermacht der Römer. Um unabhängig zu werden, mussten Sie ein Stromnetz kaufen für 5 Millionen. Sie haben den Kampf gewonnen und besitzen jetzt ihr eigenes Netz. Heute ist aus dieser Initiative ein Energieversorger geworden, der seinen Strom hauptsächlich aus Solarstrom und norwegischen Wasserkraftwerken bezieht.
Der nächste Vortrag wurde von der Energieberaterin Frau Dr. Otterbein gehalten. Sie führte die Zuschauer mit der Energiesparbrille durch den Haushalt. Denn jede Kilowattstunde, die nicht verbraucht wird, ist eine gewonnene Kilowattstunde . „Wenn wir von unserem heutigen (2011) Stromverbrauch ausgehen, der bei ca. 600 TWh liegt bedeutet das für das Jahr 2031: gelingt es, jedes Jahr nur ein einziges Prozent des Verbrauchs vom Vorjahr einzusparen, so läge unser Verbrauch in 20 Jahren bei 490 TWh,“ so Frau Dr Otterbein. Zum Beispiel: Durch effizientere Kühl- und Gefrierschränke lässt sich viel Energie sparen. Neu war für die meisten Zuschauer, als sie erfuhren, dass Notebooks und Laptops lediglich ein Zehntel bis ein Viertel des Stromverbrauchs eines normalen PC haben. Selbst bei einer Erweiterung durch eine externe Festplatte und einen großen Flachbildschirm steigt der Verbrauch kaum an.
Beim nächsten Vortrag stellte Micha Jost die Energiegenossenschaft Starkenburg vor, die sich zum Ziel gemacht hat, die regenerative Energieerzeugung in der Region voranzubringen. Es handelt sich dabei um eine Bürgergenossenschaft mit dem Ziel, den Klimaschuz in die Breite zu tragen. Sie existiert erst seit etwa einem Jahr. In der Region wurden einige Solarenergieanlagen sowie Windkraftwerke unterstützt: „ Miteigentümer von Solardächern oder Windrädern sind jene, die Geschäftsanteile erwerben, wobei der größere Teil der Investitionssumme ein Darlehen stellt, das verzinst zurückgezahlt wird. “(Micha Jost)
Anfang November referierte dann Bernd Kunz über Chancen der Stromerzeugung im Privathaushalt. Dieser Vortrag war so gut besucht, dass die Stühle im Saal kaum ausreichend waren. Interessant für die Bürger in und um Groß-Gerau sind vor allem Photovoltaikanlagen auf dem Dach und die „Stromerzeugende Heizung“, bekannt unter dem Namen Blockheizkraftwerk. Windkraftanlage sind in der Region nicht sehr wirtschaftlich. „Der Ausbau Erneuerbarer Energien in Deutschland wird zu 42 % von Privathaushalten und zu 9 % von Landwirten betrieben, während die Großkonzerne sich gerade einmal mit 3,9 % beteiligen. Zudem sei die Effektivität der Energieproduktion im eigenen Haus weit höher, da in Großkraftwerken die Wärme ungenutzt bleibt und in die Atmosphäre geblasen wird. Darüber hinaus ist der Transportund Umwandlungs-Verlust bis zum Verbraucher sehr hoch, sodass insgesamt 60 bis 70 % der eingesetzten Energie verschwendet wird.“ (Bernd Kunz)
Den letzten Vortrag hielt Paul Weber, Geschäftsführer des lokalen Groß Gerauer Stromversorgers (GGV). Das Ziel ist, den Bezug von Atomstrom bis zum Jahr 2014 auf Null zu reduzieren. Man will Strom aus einem lokalen Gaskraftwerk in Mainz beziehen. „Dies ist ökologisch und ökonomisch akzeptabel“. Darüber hinaus werde die GGV die Erzeugung regenerativen Stroms vor Ort forcieren und die Umweltverträglichkeit fördern. Ein Teil des Stroms kommt aus einer Biogasanlage. Mit 16 Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden im Stadtgebiet wurden im Jahr 2011 bereits 13 Mio. kWh sauberer Strom hergestellt.
In einer letzten Veranstaltung, die hauptsächlich vom “harten Kern“ der Initiative besucht wurde, ging es um einen Rückblick auf das vergangene Jahr. Einhellig war die Meinung, das die Veranstaltungsreihe ein Erfolg war und zumindest in der Bevölkerung, beim Bürgermeister und einige Magistratsmitgliedern auf Interesse gestoßen ist. So wollen wir auch im kommenden Jahr weitermachen und Aktionen und Veranstaltungen anbieten.